Wie viel Geld ist uns Würde wert?

Stellvertretend für viele kritisiert der SKM Aachen die Unterfinanzierung der gesetzlichen Betreuung

Fahrradwerkstatt (c) SKM Aachen/Andreas Schmitter
Fahrradwerkstatt
Datum:
Mi. 25. März 2015
Der Katholische Verein für Soziale Dienste (SKM) Aachen fordert, dass die Betreuungsvereine mehr Geld von der Gerichtskasse bekommen. Andernfalls leide die Qualität der Arbeit zum Wohl der Betreuten, sagt Geschäftsführer Torsten Nyhsen.

Schon jetzt sei die Arbeit nicht auskömmlich finanziert. Das habe zur Folge, dass die Betreuungsvereine die Arbeitsdichte
erhöhen müssten. Von der Politik gebe es zwar Absichtsbekundungen, daran etwas zu ändern, „jetzt müssen aber Taten folgen“, sagt Nyhsen. In Folge des demografischen Wandels sei zu erwarten, dass die absolute Anzahl an zu Betreuenden zunehmen werde.

Seit zehn Jahren bleiben Vergütungssätze gleich

Seit 2005 haben die Gerichtskassen die Vergütungssätze für gesetzliche Betreuungen nicht mehr erhöht. Für einen Betreuer mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluss bedeutet das eine Bruttovergütung in Höhe von 44 Euro pro Stunde. Auch wenn die Vergütung gleich geblieben ist, die Kosten stiegen innerhalb von zehn Jahren um rund 20 Prozent. Als Konsequenz bleibt den Betreuungsvereinen entweder, die Ertragslage zu steigern und mehr Betreuung zu leisten, oder die Ausgaben zu senken.

„Die Ausgaben zu senken, geht aber nicht wirklich“, sagt Nyhsen. Die Personalkosten machen beim SKM 80 Prozent der Kosten aus, da die Mitarbeiter des Betreuungsvereins tarifgebunden entlohnt werden. Etwas anderes kommt für den SKM auch nicht in Frage. Eine Steigerung der Erträge wäre möglich, hat aus Sicht des SKM aber auch erhebliche Nachteile und geht zu Lasten der Qualität: „Betreuungen im Akkord, Low-Budget-Betreuungen, Betreuungen am Fließband will keiner“, sagt Nyhsen.

Der Geschäftsführer des SKM Aachen sorgt sich darum, ob die Betreuungsvereine unter diesen Umständen in Zukunft überhaupt den gesetzlichen Vorgaben gerecht werden können. Er verweist auf das Bürgerliche Gesetzbuch. Das verpflichtet die  Betreuungsvereine, zum Wohle der Betreuten zu handeln. Das kann nur funktionieren, wenn die Betreuer zum Betreuten einen
persönlichen Kontakt aufbauen und ihn pflegen. „Das bedeutet aber auch, dass die Qualität der Betreuungen sinken muss, wenn die Vereine aus Kostengründen gezwungen sind, diese Beziehungspflege zu reduzieren.“

Ulrike Heiligers arbeitet seit 2006 beim SKM in Aachen. Die unzureichende Finanzierung der Betreuungen wirkt sich auf die alltägliche Arbeit der Sozialpädagogin aus. Sie überlegt sich ganz genau, was sie telefonisch erledigen kann und wozu zwingend der persönliche Kontakt zum Betreuten erforderlich ist.

Überall genau schauen, wie viel Einsatz geht

Jeden Einsatz muss sie heute genau hinterfragen, persönliche Kontakte unterhält sie nur, wenn sie zwingend nötig sind. Sachzwänge und Zeitdruck prägen ihre Arbeit so, dass meist wenig bis gar kein Platz für den persönlichen Austausch oder die Beziehungspflege mit den Betreuten bleibt.

Besuchstermine legt sie seit Jahren so, dass sie ein Höchstmaß der zur Verfügung stehenden Zeit für das Gespräch mit dem Betreuten nutzen kann. Als Folge übernimmt der SKM keine Betreuungen mehr in der Städteregion Aachen, sondern nur noch in der Stadt Aachen, denn Wegezeiten sind Betreuungszeiten. „Wir wehren uns nicht dagegen, effizient zu arbeiten“, sagt Torsten Nyhsen, „aber jetzt müssen wir sagen: Die Grenze der Belastbarkeit ist erreicht.“

Hinzu kommt: Ein Bestandteil der Arbeit der Betreuungsvereine ist die Akquise, Schulung und fachliche Begleitung der Ehrenamtler, die eine Betreuung für einen Menschen mit geistiger, psychischer oder seelischer Behinderung übernommen haben. Diese Begleitung der Ehrenamtler war aber staatlicherseits noch nie auskömmlich finanziert, beklagt der SKM.